Der nach Skandalen lüsternde Durchschnittsmensch schlägt das Boulevardblatt auf, um sich an Artikeln wie „Rachsüchtiger Liebhaber ersticht schwangere Frau“ zu ergötzen. Mit einer gewissen Schadenfreude verfolgt er im Fernsehen mit, wie dem Übeltäter öffentlich der Prozess gemacht wird und schüttelt mit gespielter Entrüstung und einer gewissen Portion Abgestumpftheit den Kopf.
Mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit vertraut er dann darauf, dass der rachsüchtige Liebhaber dingfest gemacht und hinter schwedische Gardinen verfrachtet wird. Daran, dass dieser schuldig ist, zweifelt er angesichts der Tatsachen keine Sekunde und über die Hintergründe zerbricht er sich nur in den seltensten Fällen den Kopf.
Das Mitgefühl sitzt mit verschränkten Armen in der Ecke und schmollt, denn diese arrogante Selbstgefälligkeit hat es von seinem Platz verdrängt. Es raunt dem Durchschnittsmenschen verschwörerisch ins Ohr, dass er ein guter Mensch ist. Gute Menschen können stolz auf sich sein. Selbstzufrieden klopft sich der Durchschnittsmensch metaphorisch auf die eigene Schulter.
Dass der rachsüchtige Liebhaber einst ein lüsternder Durchschnittsmensch war, der sein Boulevardblatt auf der Suche nach Artikeln wie „Rachsüchtiger Liebhaber ersticht schwangere Frau“ aufschlug, kommt niemals ans Tageslicht.
Ein neuer Tag bringt einen neuen Skandal. Der kalte Kaffee von gestern interessiert heute kein Schwein mehr.
Aus den Augen ist aus dem Sinn.